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Orquesta Típica Osvaldo Fresedo

El Pibe del Paternal

Osvaldo Fresedo

*05.05.1897  +18.11.1984

 

Status

Orchester der Aristokratie

Aufnahmen:

rund 1.250

Kaufe

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Vamos Corazón - 1941 - Ruíz

Oscar Fresedo mit großem Orchester im Film Tango (1933) mit dem Tango Porque

Diskografie

Eine schöne Diskografie findet man bei La Milonga di Alvin

 

Stil

elegant, harmonisch, romantisch

Merkmale

ausbalancierte Arrangements, ungewöhnliche Instrumente (Vibraphon, Harfe, Schlagzeug), kaum Soli

kaum Vals oder Milonga

Größte Hits

Vida Mía (1933, Ray), Nieblas Del Riachuelo (Ray, 1937), Buscándote (1941, Ruiz) und viele andere

Wichtigste Sänger

-          Roberto Ray (1931-1939)

-          Ricardo Ruiz (1939-1942)

-          Oscar Serpa (1942-1947)

 

Der körperlich kleine Osvaldo war einer der ganz Großen. Mit seiner äußerst eleganten Musik begründete er einen unvergleichlichen Stil, der andere Meister wie Carlos Di Sarli, Miguel Caló oder Florindo Sassone beeinflusste. Er machte über 1250 Aufnahmen, die erste im Jahr 1920, die letzte erst 1980. Keiner war so lange im Geschäft wie er.

 




 

 
El Espiante - 1927

 

 

El Espiante - 1932

 

 

 

El Espiante - 1933

 

 

El Espiante - 1955

 

 

El Espiante - 1980

 

 

 

Interview mit Fresedo über seine erste Komposition El Espiante

 

 

 

El Pibe de la Paternal

Der musikalisch hochbegabte und mit einem sehr feinen Gehör gesegnete Osvaldo stammte, anders als viele seiner Kollegen, aus einer durchaus wohlhabenden Familie. Natürlich erhoffte sich der Vater, ein erfolgreicher Geschäftsmann, dass seine Söhne in seine Fußstapfen treten würden. 1910 zog die Familie in das Viertel La Paternal um. Durch die Straßen zogen Drehorgelspieler mit ihren Organitos, die immer öfter Tangos erklingen ließen. Schon zuvor war Osvaldo von der Mutter, selbst Klavierlehrerin, musikalisch gefördert worden. Doch jetzt stürzte er sich leidenschaftlich auf die neue Musik. Weil Osvaldo nach Abschluss der Wirtschaftsschule Tag und Nacht ununterbrochen Bandoneon übte und Musiktheorie studierte, flog auch er, so wie sein späterer Musikerkollege Julio de Caro, aus dem Elternhaus. Osvaldos Vater akzeptierte aber schließlich die Begeisterung der Söhne. Nachdem der 17-Jährige nachts in den Cafés der Stadt zusammen mit seinem geigenden älteren Bruder Emilio mit einem Trio unterwegs war, eröffnete der Vater kurzerhand selbst ein Lokal, damit die Söhne nicht mehr des nachts durch Buenos Aires tingeln mussten.

Damals, 1914, übte Fresedo oft bis tief in die Nacht im Landhaus der Familie. Angeregt von den Trillerpfeifenpfiffen der Wachmänner entstand seine erste, bis heute herausragende Komposition El Espiante. Schon dieser Erstling verweist auf Fresedos Sinn für Klang. Zu Beginn ahmen die Musiker die Pfiffe nach, man hört das hektische Stampfen, Zischen, Beschleunigen und Bremsen einer Dampflok und erlebt so den Flüchtenden, so die Bedeutung des Titels, der dem Lunfardo, der Gaunersprache der Porteños, entstammt.

Fresedo berichtet aus dieser Zeit, in der es noch kein Radio gab, dass er als Bandoneonspieler sehr großes Ansehen genoss und die Jungs der Nachbarschaft sogar stolz darauf waren, wenn sie sein Bandoneon tragen durften.

Schon im nächsten Jahr, 1915, zählte der Kleine zu den Großen, trat in verschiedenen Orchestern in den neu eröffneten Cabarets Montmarte und Royall Pigall auf und erhielt schließlich, in Anlehnung an den berühmten Bandoneonspieler Pedro Maffia, den alle ‚El Pibe de Flores’ nannten, seinen Spitznamen ‚El Pibe de La Paternal’ (‚Der Kleine aus La Paternal’).

Tangos für die Aristokratie

1919 gründete Fresedo sein erstes eigenes Sextett, bald spielten bei ihm spätere Stars wie Miguel Caló oder Carlos Di Sarli. Aber auch Julio De Caro, der ja als der Revolutionär des Tango der 20er-Jahre gilt, wurde nach 1920 von Osvaldo geprägt. Fresedo führte neue Techniken wie das Staccato-Spiel der Bandoneons oder gemeinsame Cressendi des Orchesters ein, vor allem aber war er der Liebling der Reichen im Norden der Stadt und eroberte mit seinem schon damals ausgewogenen Klangbild deren Tanzsalons und Cafés in einer Zeit, als der Tango noch mehr oder weniger primitive Volksmusik der Vorstädte war.

Es waren Fresedo und andere Musiker der sogenannten Guardia Nueva, die diesen frühen Tango der Straße zu anspruchsvollerer Musik weiterentwickelten. Es wundert daher nicht, dass er als einer der ersten sein Sextett zu einem kompletten Orquesta Típica mit drei Geigen, drei Bandoneons, Bass und Klavier erweiterte. Zwischen 1925 und 1928 entstanden rund 600 Aufnahmen für das Label Odeon. ;

Im Jahr 1927 war seine Popularität so groß, dass zeitgleich vier Orchester unter seinem Namen auftraten: Das Hauptorchester spielte im Cabaret Ta-Ba-Ris sowie im Radio, ein zweites wurde vom jungen Carlos Di Sarli im Kino Fénix dirigiert, ein drittes spielte in der Bar Fresedo, die der Besitzer nach dem begehrten Orchesterleiter benannt hatte, während der Meister selbst allabendlich durch die Stadt sauste und sich bei jedem der Orchester einmal sehen ließ. ;

Wie so viele Porteños begeisterte sich auch Fresedo leidenschaftlich für Pferderennen. Nachdem er 1923 bei einem Rennen einen dicken Batzen Geld gewonnen hatte, erfüllte er sich einen Traum und kaufte sich ein Flugzeug, mit dem er in der Folge sogar Preise bei Flugschauen absahnte.

 

 

Firulete - 1922
Vor 1926/27 waren Aufnahmen noch akustisch, das heißt ohne Mikrofon. Der Ton wurde durch einen großen Trichter eingefangen.
Derecho viejo - 1927
Derecho viejo ist ein ganz alter Tango von Eduardo Arolas, der wohl vor 1916 enstand

Fresedo nahm ihn 1927, 1941 und 1959 auf

Paris 1928/1929

Wie schon erwähnt waren Fresedo und seiner Musiker in den besten Kreisen der Stadt das Tango-Orchester der Wahl. Entsprechend war Fresedo auch mit einem der schillernsten "Niño bien", d.h. Söhnchen aus reichem Hause befreundet: Macoco. Dieser Mann von Welt war es, der ihm Ende 1928 einen Vertrag im damals für Tango-Musiker extrem lukrativen Paris vermittelte, wo Fresedo in Cabarets der Champs Elysee für jeweils mehrere Monate auftrat. Anfangs war Ernesto Famá als Sänger mit von der Partie. Schon ein paar Monate zuvor hatte sich Gardel nach Paris aufgemacht, Fresedo traf ihn auch in Paris  regelmäßig und arbeitete weiter hier und da mit ihm zusammen.

Den Januar verbrachte Fresedo an der Côte d'Azur, wo die französische Upperclass den dort milderen Winter genoss. Für ein jazziger orientiertes Engagement im Frühjahr 1929 ließ Fresedo Musiker eines seiner anderen in Buenos Aires aktiven Orchester nach Paris kommen, bis er schließlich Ende 1929 von Paris nach New York reiste.

 

Ankunft in Paris

 

 

 

Dieses Video vermittelt einen Eindruck vom Tango-Tanz in Paris Ende der Zwanziger.

 

Orquesta Típica Select - 1920 - Color de Rosa

Immer wieder USA

1920 erwählte die US-Plattenfirma RCA Victor, die erst 1924 ihr Aufnahmestudio in Buenos Aires eröffnete, den jungen Osvaldo zusammen mit zwei weiteren Talenten für Aufnahmen in den USA, um der anderen wichtigen Plattenfirma, Odeon, die die Kassenschlager Canaro und Firpo unter Vertrag hatte, etwas entgegensetzen zu können. Die jungen Männer erhielten zwar je 5.000 Dollar und Fresedo konnte so schon 1920 sein talentiertes Bandoneonspiel in die Rillen der Schellacks pressen lassen – ansonsten aber stießen die drei Porteños im jazzbegeisterten New York mit ihren Auftritten, bei denen die Argentine Indians from the Pampas gezwungen wurden, sich halbnackt im Gaucho-Kostüm als argentinische Wilde zu vermarkten, auf wenig Resonanz.

 

Doch Fresedo kehrte mehrmals nach New York zurück. Während seines längsten Aufenthalts, 1934, leitete er sogar ein eigenes Orchester, mit dem er in angesagten New Yorker Hotels wie Savoy-Plaza und Ritz-Carlton auftrat. Zwar gelang es Fresedo nicht, den Tango in die USA zu tragen, doch er wurde vom Jazz und dem Sound der großen Big Bands beeinflusst. Bis 1939 spielte Fresedo noch selbst sein geliebtes Bandoneon, um sich dann auf Leitung und Organisation des Orchesters zu beschränken.

 

Die Fresedo-Schule


Carlos Di Sarli war in den 20er-Jahren Pianist bei Fresedo. Er ließ den Geigen eine ähnliche Bedeutung zukommen und suchte ein zwar ganz eigenständiges, aber dennoch in der Tradition Fresedos stehendes ausgewogenes Klangbild. Als Hommage an sein musikalisches Vorbild gilt Di Sarlis Komposition Milonguero Viejo.

Florindo Sassone strich zu Beginn der 30er-Jahre seine Geige unter der Regie von Fresedo und wurde entscheidend von ihm geprägt. Zu Beginn der 60er-Jahre hatte Sassone große Erfolge mit dem Repertoire von Di Sarli, das er aber durch die Verwendung von Harfe, Vibraphon und Schlagzeug dem Klangbild Fresedos annäherte und so den Sound beider großer Musiker miteinander verwob.


Aber auch in der Musik Miguel Calós, die sich ebenfalls durch Eleganz und Ausgewogenheit auszeichnet, hört man, dass der Bandoneonist Caló vor und nach 1930 immer wieder mit Fresedo zusammenarbeitete und von ihm geprägt wurde.

 

Ungewöhnliche Instrumente

Schon in früheren Besetzungen der 20er- und 30er-Jahre gehörten Saxophon, Schlagzeug und Westerngitarre zum Ensemble, woran man erkennt, dass Fresedos Orquesta Típica eben ein Tanzorchester war, das neben Tangos auch andere Genres spielte. Auch während seines Aufenthaltes in Paris stand Fresedo dem frühen Jazz sehr nahe. Vor allem in den frühen 30er-Jahren finden sich in der Diskographie des Orchesters entsprechend zahlreiche Foxtrotts, Rumbas, Pasodobles, Rancheras oder Märsche.

Aber erst 1935, nachdem Fresedo aus den USA zurückgekehrt war, integrierte er die für seinen Sound so typischen Instrumente Harfe, Vibraphon und Schlagzeug in sein Orchester.

Wahrscheinlich war es kein Zufall, dass über 20 Jahre später der amerikanische Jazz-Trompeter Dizzy Gillespie während seiner Tournee durch Argentinien im Jahr 1956 gerade in Fresedos Club landete. Sie verabredeten sich für den nächsten Abend. Von diesem legendären Tango-Jazz-Crossover entstanden sogar Aufnahmen, wie z.B. Vida Mia. 

  
Vamos Corazón - 1941 - Ricardo Ruíz
Alle Register der Instrumentierung zieht Fresedo in diesem Tango. Nahezu nach jedem Takt ändert sich die Textur, übernimmt eine andere Klanggruppe den Compás oder gibt die Melodie an das nächste Instrument weiter.

 

 

Vida Mia- Osvaldo Fresedo Dizzy Gillespie - 1956
   

Ein farbenfroher Klangteppich

Über sechs Jahrzehnte leitete Fresedo verschiedenste Orchester.

Seinen Markenzeichen – größte musikalische Qualität, ein harmonisches Klangbild sowie eine große Ausgewogenheit zwischen Rhythmus und Melodie – blieb er zwar treu, doch es sind die Titel zwischen 1933 und 1943, die von einer ganz eigenen Magie umgeben sind, der sich kaum ein Tänzer entziehen kann.

Fresedo zaubert wie aus einer Wundertüte ganz besondere musikalische Bausteine hervor und verwebt sie zu farbenfrohen Klangteppichen aus schönen Melodien, eleganten Rhythmen und erlesenen Ohrschmeicheleien.

 

Yo no se llorar - 1933 - Roberto Ray
Raúl Palladino und Aneta Orlik - Krakau, 2018

 

 

Canto de Amor - 1934 - Roberto Ray

 

Araca la cana! - 1933 - Roberto Ray
Gustavo und Giselle - Palermo 2003
Gustavo und Giselle waren vor bald 20 jahren mit dieser Show in Buenos Aires unsere Götter. Doch der Tango hat sich weiterentwickelt!
Tigre viejo
Osvaldo und Coca, Sunderland, BA, 2008
Sueño Azul - 1937 - Roberto Ray
Dana Jazmin Frigoli - Adrian Romeo Ferreyra - 2022

 

Sollozos - 1937 - Roberto Ray
Michelle und Joachim - 2022

 

 

 

 

 

 

Arrabalero - 1939 - Instrumental
asdasdasd

 

Die Geigen stehen in Fresedos Klangwelt an erster Stelle.

Er positionierte sie daher auf der Bühne gerne vor den Bandoneons. Häufig lässt er das ganze Orchester ein- bis viertaktige Phrasen im Wechsel einmal legato, also mit Bogenstrich, und dann stakkato, vielfach in Pizzicato-Technik, also gezupft, spielen. Wunderschöne Geigengesänge und Gegenmelodien schichten sich dabei neben- und übereinander.

Da diese Melodien meist einfachen rhythmischen Mustern folgen, inspirieren sie die Tänzer manchmal deutlich, manchmal zurückhaltend, aber immer subtil und präzise mit einem klaren Compás. Typisch sind außerdem meist gedämpfte, manchmal auch brachiale Crescendi und Decrescendi des gesamten Orchesters (Derecho Viejo, 1942, 0:15).

 

 

Genauso grundlegend für den Fresedo-Sound ist aber die Art, wie er das Klavier einsetzt. In den meisten Orchestern pulsiert dieses mächtige, vielseitige Instrument als rhythmisches Zentrum. Oft sind es die Pianisten, die mit den kräftig gedroschenen tiefen Akkorden der linken Hand den Beat markieren.

Fresedo strebte immer einen aristokratisch-eleganten Klangkosmos an und verzichtete daher auf die grollenden tiefen Wogen des Pianos ebenso wie auf den Sound der Bandoneons, die bei ihm selten im Vordergrund, sondern eher als zurückhaltende Rhythmusbetonung zu hören sind.

Das Klavier setzt sich stattdessen wie ein Jazzpiano, das das rhythmische Fundament von Schlagzeug und Bass harmonisch füllt, zwischen die von den Geigen vorgetragenen Melodielinien, kommentiert und variiert diese oder spielt mit Triolen-Rhythmen.

Aber auch Harfe und Vibraphon erstrahlen an diesen Schnittstellen musikalischer Phrasen vielfach mit rasend schnell gespielten an- und abschwellenden Läufen oder wohlklingenden Klangpunkten. Auf ganz ähnliche Weise tritt auch das Schlagzeug mit ausgewählten, klanglichen Akzenten in Erscheinung. Erst nach 1950 verwendet es Fresedo auch als durchgehend gespieltes Rhythmusinstrument.


Der mit größter Sorgfalt gepflegte Zusammenklang der Instrumente, die Arpeggienläufe von Harfe, Klavier und Vibraphon, das vorwiegend in den höheren Lagen gespielte Klavier, die bewusst gesetzten Klangakzente aller Instrumente sowie die glockenklaren Tenorstimmen der Sänger verleihen dem Orchester insgesamt einen lieblichen, romantischen Touch, ohne je in rhythmische Beliebigkeit zu verfallen. Um diesen schönen, ausgewogenen Klang mit reinen Melodien zu erreichen, probte Fresedo mit jeder Instrumentengruppe lange und intensiv einzeln; er wollte, wie er selbst sagte, dass jeder Musiker die Emotionen der Musik verinnerlicht. Nicht die Soli virtuoser Musiker zählten für ihn, sondern der Gesamtklang des Orchesters.

Konsequenterweise findet man bei diesem Orchester eher selten treibende, energiegeladene Variaciones, also ein rasant gespieltes Finale. Tänzer, die mit Moulinetten oder energiegeladenen Figuren am Ende nochmal alles geben, das passt eben nicht wirklich zu Fresedo.

Te llama mi violin - 1942 - Oscar Serpa
Yanina Quiñones and Neri Piliu - 2016 - Istanbul

 

Fresedo für Tänzer

Osvaldo komponierte rund 80 Titel wie z.B. El Espiante, Arrabalero, El Once (A divertirse), Pimienta, Pampero, Siempre es Carneval, Sollozos oder Vida mía. Milongas und Valses spielen in seinem Repertoire keine Rolle.

 
Colibriyo - 1934 Ray

 

Zackiges aus den Dreißigern

1933 startete Osvaldo mit neuem Orchester und starken Musikern beim Label Odeon. Schon die erste Aufnahme Araca la Cana (1933, Roberto Ray) setzt energiereich mit präzisem Groove ein, aber auch die Instrumentalstücke La Clavada (1933), Tigre Viejo (1934) oder Firulete (1940) inspirieren Tänzer mit ihrer abwechslungsreichen Zackigkeit genauso zu rhythmischen Spielereien wie die traditioneller geartete Erstkomposition El Espiante in der Einspielung von 1933 mit fantastischen Soundeffekten.

 

Romantisches mit Roberto Ray

Roberto Ray (1912-1960) passte perfekt zu Fresedos musikalischen Vorstellungen. 1931 stieß er als Estribillista (Strophensänger) zum Orchester, in den frühen 30er-Jahren war Fresedo einer der ersten, der seine Sänger auch längere Phrasen singen ließ. Als Ray schließlich 1939 das Orchester verließ, um weit weniger erfolgreich eigene Wege zu gehen, war die Paarung Ray-Fresedo längst ein feststehende Größe geworden, mit seinem glockenhellen, hohen Tenor voll raffinierten Ausdrucks hatte Ray den Maßstab für alle späteren Sänger Fresedos gesetzt.

Mitte der 30er-Jahre entstanden große Hits wie Vida mía (1933), Isla de Capri, Cordobesita, Nieblas de Riachuela, Volver (1935) oder Sollozos (1937). Sie nehmen einen der oberen Plätze auf der All-Time-Tango-Hitliste ein und strahlen ruhige Eleganz und Grazie aus.

Es gibt aber auch eine Reihe von Tangos mit mehr Groove wie Telón (1939) oder Careta, Careta (1940) mit dem weniger bekannten Sänger Carlos Mayal.

Cordobesita - 1933 - Ray
Pablo Rodriguez y Noelia Hurtado - Amsterdam - 2010

 

Isla de Capri - 1935 - Ray
Elizabeth Matias Arte - Mexico - 2017
Telon - 1938 - Ray

 

 

 

Elegante Energie mit Ricardo Ruiz

Im Zuge der D’Arienzo-Revolution ab 1936 gestaltete auch Fresedo seine Klangteppiche etwas schneller und energiereicher, ohne auf Qualität, Eleganz und Harmonie zu verzichten. Sein fantastischer nächster Sänger, Ricardo Ruíz (1914-1976), lieh dem Orchester für 28 Tangos seine glasklare, hohe Stimme. Inquietud, Mi gitana (1939), Alas und Rosarina Linda (1940) zeigen Fresedo ebenso auf der Höhe seiner Kunst wie die Tangos Careta, Careta (1939) oder Nidito Azul (1940) mit dem weniger bekannten Carlos Mayel. Diese starke Phase endete damit, dass 1942 nahezu alle Musiker und Sänger das Orchester verließen.

Mi Gitana - 1940 - Ruiz
Eugenia Parrilla e Yanick Wyler - Florenz - 2017
Plegaria - 1940 - Ruiz
Alas - 1940 - Ruiz
Buscandote - 1941 - Ruiz
Monica Llobet & Richard Council - Miami - 2015

Zwischen romantischer Vollendung und großem Kitsch: Die Sänger Oscar Serpa und Hector Pacheco

Doch Fresedo baute ein neues, ebenso starkes Orchester auf. Neuer Sänger wurde Oscar Serpa (1919 – 1982), bis dahin vorwiegend Interpret traditioneller Volksmusik. Er blieb bis 1947, es entstanden 59 Titel, bis er zu Carlos Di Sarli wechselte. Als weiterer Star stieß Elvino Vardaro dazu, einer der ganz großen Geiger der Época de Oro, der mit einmaligem Ton und virtuoser Technik nicht nur dem Tango Te llama mi violín (1942, Serpa) Klasse verlieh, sondern auch dazu beitrug, dass weitere Höhepunkte dieser herausragenden Jahre der Tangokultur wie z.B. Aníbal Troilos Meisterkomposition Uno (1943, Serpa) oder Tango gris (1943, Serpa) entstehen konnten. 

Uno - 1943 - Oscar Serpa
Amelia Rambe - Ferrol Matthew - 2022
Te llama mi violin - 1944 - Oscar Serpa
Yanina Quiñones and Neri Piliu - Istanbul - 2016

Siempre Siempre - 1944 - Oscar Serpa
Para Lucirse - 1952

Vida mia - 1952 - Hector Pacheco

Doch schon in diesen Jahren deutet sich in zahlreichen Nummern, wie z.B. Sol (1945, Serpa), an, wohin sich der Fresedo-Sound entwickeln wird. Wegen affektierter Streicherwellen, übertrieben wirkender Klangeffekte oder dem oft aufdringlichen Schlagzeug empfinden die meisten diese häufig langsam gespielte Musik als verkitschte Geigensuppe.

Mitte der Vierziger Jahre endet die Aufnahmetätigkeit von Fresedo bei RCA mehr oder weniger, ganz ähnlich wie bei Demare, Tanturi oder Laurenz. RCA und Odeon kömmerten sich immer weniger um den Tangomarkt. Erst mit dem Aufkommen neuer Labels um 1950 änderte sich dies. Fresedo finden wir ab 1950 beim Label Columbia.

Dies gilt umso mehr für die Zeit nach 1950 mit dem Sänger Hector Pacheco (1918 – 2003), die geprägt ist von Fresedos neuem Arrangeur, dem von Astor Piazzolla beeinflussten Bandoneonisten Roberto Pensara. Fresedo, der 1947 seinen eigenen Club namens Rendez Vous eröffnet hatte, spielte in späteren Jahren, wie auch Piazzolla, nur noch selten für Tänzer. ‚El Pibe del Paternal’ starb 1984, bis zuletzt trat er mit seinem Orchester auf.